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Wie prüft man eine Anleitung?
Der Weg durch ein Dokumentationsprojekt ist unter Umständen lang. Es gibt Entwürfe für Texte, verschiedene Strukturen und Freigaben. Ist die Anleitung fertig, steht man jedoch im Grunde wieder vor derselben Frage, die man sich zu Beginn des Projektes schon gestellt hat: Welche Informationen braucht der Nutzer, um mit dem Produkt zu arbeiten? Zwar gibt es Checklisten, Leitfäden und Gliederungsvorschläge, um eine Anleitung am Schreibtisch auf Herz und Nieren zu prüfen. Doch nichts vermag eine Doku so gut zu testen, wie der Endnutzer selbst. Usability-Testing heißt das Schlagwort – abgeleitet vom englischen „to use“ (gebrauchen) und „ability“ (Fähigkeit).
Usability-Testing in der Praxis
Bei einem Usability-Test geht es darum, eine erstellte Anleitung oder einen Ausschnitt daraus einem praktischen Test mit einer Testperson zu unterziehen. Die Testperson(en) sollten dabei idealerweise zu der Personengruppe gehören, für die auch die Anleitung erstellt wurde (Zielgruppe). Eine Montageanleitung für eine Industrieanlage wird also sinnvollerweise auch von einem Monteur getestet. Wichtig ist, dass die Testperson das in der Anleitung beschriebene Produkt nicht kennt – also voll und ganz auf die Informationen aus der Anleitung angewiesen ist.
Wichtig ist, dass sich die Person nicht getestet fühlt – man muss ihr also klar machen, dass es um einen Test geht, der die Qualität der Anleitung prüfen soll. Fehler während des Tests sind also keine Fehler der Testperson, sondern Fehler in der Anleitung. Weiterhin soll die Testperson während des Usability-Tests laut denken. Sie soll also alle Texte laut vorlesen und laut schildern, worüber sie gerade nachdenkt.
Beim Test soll der Proband dann die in der Anleitung angegebenen Handlungsschritte durchführen. Entweder geht es nur um die konkrete Durchführung einer Montage oder Bedienungsprozedur. In diesem Fall wird die konkrete Seite in der Anleitung angegeben. Oder es wird auch getestet, wie sich die Zielgruppe in der Anleitung zurechtfindet, dann wird nur ein Problem geschildert und die Person sucht selbst nach der Lösung. Während der Handlungsschritte macht der Technische Redakteur Notizen, stellt Rückfragen an die Testperson und fragt bei aufgetretenen Schwierigkeiten nach Lösungsmöglichkeiten. Meist lassen sich daraus sehr schnell grundsätzliche Verbesserungen ableiten, die in die gesamte Anleitung übernommen werden können. Erstaunlicherweise genügt meist eine relativ kleine Gruppe an Testpersonen. Während des Klicktel-Projektes stellten wir fest, dass bereits nach fünf Testpersonen (mit derselben Aufgabe) alle nennenswerten Fehler in der Dokumentation festgestellt worden sind.
Was kann getestet werden?
Usability-Tests stammen ursprünglich aus dem Bereich des Webdesigns. In der Technischen Dokumentation lassen sie sich jedoch ebenfalls sehr gut anwenden. Im Maschinenbau und bei Consumer-Produkten ist es möglich, den Test direkt auf die Anleitung anzuwenden. Hier kann geprüft werden, ob eine Montageanweisung verständlich geschrieben ist und ob am Ende das fertig montierte Produkt auf dem Tisch steht. Bei Consumer-Produkten kann üblicherweise festgestellt werden, ob die Endanwender das Gerät einfach und fehlerfrei bedienen können.
Im Software-Bereich geht der Test ein Stück weiter: Hier folgt ein Anwender wesentlich widerwilliger einer Anleitung, außerdem sind auch in der Software selbst anleitende Texte enthalten. Ein Usability-Test einer Software-Dokumentation (Online-Hilfe, gedruckte Kurzanleitung, PDF) testet also meist immer auch die Qualität des User-Interfaces des Programms.
Bei Websites geht es beim Usability-Testing meist um das Auffinden von Informationen. Während sich bei Software gewisse Standards etabliert haben, wie Programme zu bedienen sind, sind Websites völlig frei in der Gestaltung. Usability-Tests prüfen hier, ob Nutzer die Navigationselemente finden, wie sie in der Struktur navigieren und ob Inhalte dort zu finden sind, wo der Nutzer sie vermutet.
Klicktel-Projekt
Im Rahmen einer Projektarbeit arbeitete ich mit einer kleinen Projektgruppe an einem Usability-Projekt für die Software-Firma Klicktel, Dorsten. Unser Ziel war die Analyse der Nutzer-Dokumentation der Telefon-Auskunfts-CD „Klicktel“. Wir führten einen Usability-Test der Online-Hilfe, der PDF-Dokumentation und des gedruckten Booklets durch. Nach einer ausführlichen Auswertung erarbeiteten wir Lösungsvorschläge, hauptsächlich für das Booklet und die PDF-Anleitung. Die PDF-Anleitung wurde in der neuen Version der Software, Klicktel Frühjahr 2005, auf der Programm-CD veröffentlicht.
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Vorschlag für CD-Booklet 103,8 KB - 603 mal heruntergeladen Beispielseiten eines Entwurfs, den wir für ein neues Booklet der CD erstellten. |
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Ausschnitt der Klicktel-Kurzanleitung 238,8 KB - 602 mal heruntergeladen Die ersten sechs Seiten der von uns erstellten Kurzanleitung für Klicktel Frühjahr 2005. |